Vom Wort zum Bild: Eine Gedichtpartitur gestalten
Gedichte bieten über den integrativen Deutschunterricht hinaus vielfältige kreative Möglichkeiten für fachübergreifendes und projektorientiertes Lernen in der Grundschule. Dafür eignen sich je nach Anlass z.B. Jahreszeiten-, Tier-, Buchstaben- oder Quatschgedichte.
Auch als Ausgangspunkt für eine komplexe Leistung können die nachfolgenden Anregungen dienen.
Was ist eine Gedichtpartitur?
Bei einer Gedichtpartitur wird poetische (Bild-)Sprache in konkrete Bilder übertragen. Dabei werden für jede Gedichtzeile passende Zeichnungen angefertigt. Besonders gut eignen sich Jahreszeitengedichte für das Gestalten einer Gedichtpartitur, z.B.
- Maler Frühling (Hoffmann von Fallersleben)
- Sommerfrische (Joachim Ringelnatz)
- Der Herbst steht auf der Leiter (Peter Hacks)
- Der Schneemann auf der Straße (Robert Reinick)
Dem Wort Partitur sind die Schülerinnen und Schüler möglicherweise bereits im Musikunterricht als Fachbegriff begegnet. Eine Partitur im musikalischen Sinn ist die Notation mehrstimmiger Musik in Form von Notenschrift. Sie bildet das Zusammenspiel der Einzelstimmen ab und enthält Hinweise zu Tempo, Lautstärke und Dynamik. Eine solche Partitur gibt dem Dirigenten einen schnellen Überblick über die Komposition.
Eine Gedichtpartitur greift diese Idee für den Deutschunterricht auf, indem Sprache in Bilder übersetzt wird. Die entstandenen Bilder können den Lernenden als Gedankenstütze dienen und sie beim geübten Gedichtvortrag unterstützen (→ Lerntechnik). Die Schülerinnen und Schüler zeichnen zu Zeilen, Strophen oder dem ganzen Gedicht passende Bilder. Das kann in allen Sozialformen (Gruppen-, Einzel-, Partnerarbeit) umgesetzt werden. Es bietet sich an, die Zeichnungen für die Partitur fachübergreifend im Kunstunterricht durchzuführen. Eine Gedichtpartitur kann über den Deutsch- und Kunstunterricht hinaus in weiteren Fächer aufgegriffen und als Unterrichtsidee für projektorientiertes Lernen weiterentwickelt werden.


Deutsch
Im Deutschunterricht findet eine erste Begegnung mit dem ausgewählten Gedicht statt. Der gemeinsame Einstieg kann mithilfe von Bildern, Realien oder Geräuschen auf der Inhaltsebene erfolgen. Dabei werden die Sinne angesprochen, wodurch sich die Lernenden dem lyrischen Text assoziativ annähern. Das Gedicht kann gemeinsam gelesen oder durch die Lehrperson vorgetragen werden. Ein kreativer Einstieg lädt zum Sprechen und Zuhören ein, ermöglicht den Kindern, ihre Gedanken zu formulieren, gemeinsam zu philosophieren und sich aktiv bei der Erarbeitung des Gedichtes einzubringen.
Im gemeinsamen Unterricht findet zunächst eine inhaltliche und sprachliche Begegnung mit dem ausgewählten Gedicht statt.
- Welches Thema hat das Gedicht? Finde eine passende Überschrift.
- Was passiert in den einzelnen Strophen?
- Welche Gedanken, Ideen, Gefühle weckt das Gedicht?
- Wie stellst du dir den Sprecher („lyrisches Ich“) vor?
Da die Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung teilweise große Unterschiede aufweisen, bietet es sich an, sprachliche Besonderheiten gemeinsam zu erarbeiten, sodass alle Kinder von den Überlegungen und Erklärungen in der Klasse profitieren.
- Welche Wörter findest du ungewöhnlich?
- Welche Ausdrücke kommen dir altmodisch vor?
- Was bedeutet „schreitet“? (Bezug zum Wortfeld „gehen“ kann hergestellt werden)
- Was könnte ein „grüner Reis“ sein?
- Warum heißt es „malet“ statt „malt“? (Bedeutung von Silben und Rhythmus in Gedichten kann angebahnt werden)
Das Spiel mit der Sprache ist ein besonderes Merkmal der Lyrik. Durch motivierende Lernangebote können sich die Schülerinnen und Schüler mit sprachlichen Strukturen (z.B. zusammengesetzte Wörter, Wortarten) sowie Wortbedeutungen beschäftigen. Zum Beispiel können Wortneuschöpfungen (Neologismen) wie „Grashüpferhupf“ dazu anregen, selbst (sinnhafte) zusammengesetzte Wörter zu finden und Beschreibungen dazu anzufertigen. Indem Kinder die Freude am Spiel mit Wörtern entdecken, finden sie einen Zugang zur lyrisch-poetischen Sprache. Daraus entwickeln sie zunehmend ein Verständnis für Sprachbilder (Metaphern) und übertragene Wortbedeutungen. Das Nachdenken über einzelne Begriffe, Ausdrücke oder Redewendungen führt somit zu einem genaueren inhaltlichen Verständnis.
Das Wissen über Gedichten wird im Laufe der Grundschulzeit angebahnt (Sich mit Texten und anderen Medien auseinandersetzen). Dabei werden schrittweise Fachbegriffe wie Zeile – Vers – Strophe, Reime und Reimschema, Rhythmus, Metrum/Versmaß erarbeitet. Anhand wiederkehrender struktureller, inhaltlicher und sprachlicher Merkmale wird für die Lernenden die Abgrenzung von Gedichten zu anderen Textsorten erkennbar, sodass auf der Ebene der Textsorten eine Kategorienbildung stattfinden kann.
Bei der Beschäftigung mit Gedichten sind die Kompetenzbereiche besonders eng miteinander verflochten, sodass sich zahlreiche lernbereichsübergreifende Aufgaben ableiten lassen. Abwechslungsreiche Aufgaben zum Lesen, Schreiben, Sprechen und Zuhören sowie zu den Lernbereichen Sprache/Sprachgebrauch und Texte/Medien können als Lerntheke, Stationenlauf oder Wochenplan in einem geöffneten Lernsetting (z.B. Freie Lernzeit) umgesetzt werden.
siehe auch
Kunst
Abhängig davon, ob die Schülerinnen und Schüler jeweils eine eigene Gedichtpartitur für das ganze Gedicht anfertigen (z.B. als Gedankenstütze zum Lernen) oder die Klasse eine gemeinsame Präsentation (z.B. beim Schulfest) vorbereitet, kann die Aufgabe für die bildnerische Umsetzung variieren:
- Zeichne zu jeder Zeile des Gedichts ein kleines Bild, das dir hilft, dich an den Wortlaut zu erinnern. (Material: Buntstifte)
- Wähle eine Textstelle aus dem Gedicht und male ein passendes Bild auf ein großes Format. (mindestens A3).
Hinweise
In der Lyrik gibt es einen deutlichen Zusammenhang von Sprache – Bild – Bildsprache. Konkrete Bilder werden beim Verfassen von Gedichten in (teilweise abstrakte) Sprache übersetzt. Indem die Schülerinnen und Schüler eine Gedichtpartitur anfertigen, findet in gewisser Weise eine Rückübersetzung von Sprache in Bilder statt, indem Sprache visualisiert und konkretisiert wird. Diese Konkretisierung kann individuell unterschiedlich sein und hängt u.a. auch vom sozio-kulturellen Hintergrund und Vorwissen der Kinder ab. Beim Zeichnen einer Gedichtpartitur können also durchaus unterschiedliche Bilder entstehen (→ Fantasietiere).
Den meisten Schülerinnen und Schüler fällt es leicht entsprechende Bilder zu finden. Schwierig wird es häufig bei abstrakten Textstellen, da sich hierzu nicht so leicht konkrete Bilder finden lassen. Nicht jede Zeile muss ein Bild bekommen. In der Regel finden die Kinder beim gemeinsamen Nachdenken jedoch eine kreative Lösung.
Möglicherweise assoziieren die Kinder unterschiedliche Bilder mit demselben Textabschnitt. Das bietet eine gute Gelegenheit, um über die Textstelle zu sprechen. Die individuellen Arbeitsergebnisse der Kinder zeigen die Vielfalt möglicher Interpretationen und dürfen entsprechend anerkannt werden.



Impulse für den Musikunterricht
Wie klingt der Sommer?
- Naturgeräusche sammeln und/oder aufnehmen
- Geräusche Orff-Instrumente übertragen
- Töne und Melodieabfolgen improvisieren
- Sommergeräusche mit Alltagsgegenständen nachempfinden, Klänge experimentieren
- Instrumente, Rhythmen assoziieren
- Komposition zum Gedicht (oder der Jahreszeit) erfinden
Impulse für den Sachunterricht
Jahreszeitengedicht bieten vielfältige Gesprächsanlässe, die im Sachunterricht aufgegriffen werden können. So können Fragen vertieft und Phänomene untersucht werden. Die Lernergebnisse der Kinder können als Kurzvortrag oder Plakat präsentiert werden.
- Naturphänomenen (Wetter, Temperaturen, Wie entsteht ein Regenbogen?)
- Tiere und Pflanzen (Frühblüher, Wohin fliegen die Vögel im Winter? Wie weit springen Grashüpfer?)
- Veränderungen im jahreszeitlichen Verlauf (Warum färben sich die Blätter?)
- Festen im Jahreskreis (Weihnachten, Ostern)
Judith Köhler, Mitwirkung: Andreas Grajek
Letzte Aktualisierung: 3. November 2025








