Zuhören ist mehr als leise sein
Aktives Zuhören und bewusstes Sprechen als Grundkompetenzen der Sprachbildung
Die Bildungsstandards im Fach Deutsch formulieren klare Erwartungen an die bis zum Ende der 4. Klasse zu entwickelnden Kompetenzen im Fach Deutsch. Sie stellen eine Säule schulischer und außerschulischer Bildung mit dem Ziel einer demokratischen Werteorientierung sowie einer Befähigung zu einer interaktiven und interkulturellen Verständigung dar. Gezieltes und aktives Zuhören sowie bewusstes Sprechen fungieren dabei als Schlüssel für einen mündigen Sprachgebrauch.
siehe auch:
Der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ in den Bildungsstandards
Die jeweiligen Standards im Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ verdeutlichen, welcher Stellenwert dem Sprechen und Zuhören als Teil schulischer Bildung und als Bestandteil des Unterrichts (nicht nur) im Fach Deutsch ab dem ersten Schultag in Klasse 1 zukommt. Klare Akzente zeigen, welche Kompetenzen sowie Lern- und Arbeitstechniken schrittweise im Unterricht aller Jahrgangsstufen entwickelt werden:
Standard | Ziele für die Kompetenzentwicklung bis zum Ende der Klasse 4 |
Gespräche führen | sich an Gesprächen beteiligen gemeinsam entwickelte Gesprächsregeln beachten: z.B. andere zu Ende sprechen lassen, auf Gesprächsbeiträge anderer eingehen, beim Thema bleiben Anliegen und Konflikte gemeinsam mit anderen diskutieren und klären |
zu anderen sprechen | an der gesprochenen Standardsprache orientiert und artikuliert sprechen Wirkungen der Redeweise kennen und beachten funktionsangemessen sprechen: erzählen, informieren argumentieren, appellieren Sprechbeiträge und Gespräche situationsangemessen planen |
verstehend zuhören | Inhalte zuhörend verstehen gezielt nachfragen Verstehen und Nicht-Verstehen zum Ausdruck bringen |
szenisch spielen | Perspektiven einnehmen sich in eine Rolle hineinversetzen und sie gestalten Situationen in verschiedenen Spielformen szenisch entfalten |
über Lernen sprechen | Beobachtungen wiedergeben Sachverhalte beschreiben Begründungen und Erklärungen geben Lernergebnisse präsentieren und dabei Fachbegriffe benutzen über Lernerfahrungen sprechen und andere in ihren Lernprozessen unterstützen |
„Die gesprochene Sprache ist ein zentrales Mittel schulischer und außerschulischer Kommunikation. Dabei ist gesprochene Sprache immer auch soziales Handeln. Die Schülerinnen und Schüler lernen grundlegende, kommunikative Situationen in persönlichen, schulischen und öffentlichen Zusammenhängen angemessen und adressatengerecht zu bewältigen. Dabei lernen sie, sprachliche Werkzeuge auch im digitalen Kontext zu nutzen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln eine demokratische Gesprächskultur, die von aufmerksamem Zuhören und respektvollem Gesprächsverhalten geprägt ist. Sie erweitern ihre mündliche Sprachhandlungskompetenz. Sie führen Gespräche und realisieren kommunikative Funktionen wie erzählen, informieren und argumentieren. Sie gestalten ihr Sprechen bewusst und leisten konstruktive gesprochene Beiträge zum Unterricht. Sie drücken ihre Gedanken und Gefühle aus und formulieren ihre Äußerungen im Hinblick auf Zuhörerinnen und Zuhörer und Situation angemessen, hören aufmerksam und konzentriert zu, nehmen die Äußerungen anderer auf und setzen sich mit diesen konstruktiv auseinander.“
Quellen: Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.10.2004), Bildungsstandards für das Fach Deutsch Primarbereich (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.10.2004, i.d.F. vom 23.06.2022)
Über das Zuhören sprechen
Unterrichtsidee für die Klassenstufen 3/4
Lesetext
Zuhören ist wichtig
Zuhören ist wichtig, weil sonst alles drunter und drüber ginge. Die Lehrerin würde zum Beispiel sagen: „Wir rechnen jetzt.“ Und das erste Kind macht das Deutschheft auf, das zweite berichtet dem Sitznachbarn von seinem Wochenende, das dritte geht aus dem Klassenzimmer, das vierte erzählt einen Witz und das fünfte Kind schaut aus dem Fenster.
So würde es zugehen.
Man würde nichts lernen, alle hätten Ohrenschmerzen.
Auch auf dem Bau würden Probleme entstehen. Jemand baut eine Toilette ein, jemand anderes baut sie wieder aus. Ein neues Haus wird gelb angemalt, obwohl es hieß: „Baut das Gerüst ab!“
Nichts würde mehr gehen!
Ein Kind fragt: „Kommst du heute zu mir nach Hause?“ Das andere Kind antwortet: „Ja, ich komme morgen zu dir!“
Jemand ruft: „Es regnet!“ Und alle fangen plötzlich an zu singen.
Es wäre ein großes Chaos, wenn wir nicht zuhören könnten.
Aufgabenimpulse
- Lies den Text über das Zuhören, den ein Kind in der 4. Klasse geschrieben hat. Erkläre mit eigenen Worten, warum es ein großes Chaos geben würde, wenn man nicht zuhören könnte. Sprich mit einem Partnerkind darüber.
- Warum ist das Zuhören so wichtig? Diskutiert.
- Hast du schon einmal jemandem aufmerksam zugehört? Berichte davon.
- Die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach soll einmal gesagt haben: „Solange man selbst redet, erfährt man nichts.“ Tauscht eure Gedanken dazu aus.
- Kennt ihr weitere Redewendungen rund um das Sprechen und Zuhören? Erfindet auch eine passende Redewendung.
- Verfasse einen Text darüber, warum es wichtig ist, zuhören zu können.
Lehrplan-Progression im Lernbereich „Sprechen und Zuhören“
Zwei Übersichten zur Progression der Lernziele und Lerninhalte / Kompetenzerwartungen in den Lehrplänen der Bundesländer Sachsen und Bayern zeigen exemplarisch auf, wie konkrete Umsetzungen des Kompetenzbereichs „Sprechen und Zuhören“ in den einzelnen Klassenstufen der Grundschule erfolgen können (vgl. → Rechtschreibung).
LB-Sprechen-und-Zuhoeren-Lehrplan-SachsenLB-Sprechen-und-Zuhoeren-LehrplanPLUS
Übrigens
Auch in der „Vereinbarung zur Arbeit in der Grundschule“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.03.2024) kommt der sprachlichen Bildung ein besonderer Stellenwert zu. So heißt es etwa:
- „Sprache ist der Schlüssel zum Welt- und Selbstverständnis sowie Mittel zwischenmenschlicher Verständigung. Sie hat eine grundlegende Bedeutung für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Bildungssprachliche Kompetenzen sind grundlegend für den Schulerfolg.“ (S. 7)
- „Dem Verfassen eigener Texte, die der Kommunikation sowie der gedanklichen Auseinandersetzung dienen und einen kreativen Umgang mit Sprache ermöglichen, kommt in allen Jahrgangsstufen eine besondere Bedeutung zu. Diese setzt sich im Sekundarbereich systematisch fort.“(S. 8)
- „Lehrkräfte sind sprachliche Vorbilder und achten in allen Fächern und Bereichen des schulischen Alltags auf einen korrekten, angemessenen, adressaten- und situationsbezogenen Sprachgebrauch der Schülerinnen und Schüler.“ (S. 12)
- „Die Kompetenzen mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler sind im schulischen Kontext aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Die eigene Sprache ist Bestandteil der Identität und deshalb in besonderer Weise wertzuschätzen und zu berücksichtigen. Mehrsprachigkeit wird dabei als Ressource für die sprachliche Bildung verstanden.“ (S. 12)
- „Interkulturelle Bildung fördert die Auseinandersetzung mit der kulturellen Vielfalt und den Dialog zwischen den Kulturen. Die damit verbundenen Lernprozesse zielen auf das gegenseitige Verstehen, auf bereichernde Perspektivwechsel, auf die Reflexion der eigenen Wahrnehmung sowie einen toleranten und wertschätzenden Umgang miteinander ab.“ (S. 12)
- „Im Unterricht der Grundschule wird die Sprache bewusst als Mittel des Denkens und Kommunizierens eingesetzt, um fachliches und sprachliches Lernen zu verknüpfen. Wesentliche Elemente sind die sprachsensible Haltung der Lehrkräfte und die systematisch in den Unterricht integrierte, gezielte Förderung sprachlicher und bildungssprachlicher Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler.“ (S. 15)
Hintergrund: Die Kultusministerkonferenz hat 2024 verbindliche Leitlinien für die Arbeit in Grundschulen verabschiedet, die auf Empfehlungen aus dem Jahr 2015 basieren. Diese Richtlinien legen einen bundesweit einheitlichen Rahmen fest, stärken die Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht mit mehr Unterrichtszeit und betonen die Bedeutung sozial-emotionaler Entwicklung sowie multiprofessioneller Teams. Zudem wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung unterstützt, um innovative Konzepte zu ermöglichen.
Im Artikel „Zuhören ist mehr als leise sein“ (Grundschulmagazin 01/2021 zum Thema „Ich hör‘ dir zu“) richten Judith Köhler und Andreas Grajek den Fokus auf das Entwickeln einer wertschätzenden Gesprächskultur, bei welcher verstehendes Zuhören sowie adressaten- und situationsbezogenes Sprechen von Anfang an eine Einheit bilden. Zum Beitrag gehören Impulskarten zum aktiven Zuhören im Erzählkreis, Impulskarten für Zuhörer bei Präsentationen, ein Zuhörlogbuch sowie Unterrichtsideen rund um das Zuhören.
Judith Köhler & Andreas Grajek
Letzte Aktualisierung: 12. September 2024