Wortschatzarbeit – Schleichdiktate im integrativen Deutschunterricht
Diktatformen
Neben dem klassischen Diktat haben sich in der Grundschule weitere Diktatformen etabliert, z.B.
- Schleichdiktat
- Dosendiktat
- Lückendiktat
- Wendediktat
- Würfeldiktat
- Lupendiktat
Während bei klassischen Diktaten gehörte Sprache in Schrift übertragen werden muss, wird in alternativen Diktatformen die richtige Schreibung bereits präsentiert. Dadurch wird den Lernenden die Möglichkeit zum selbstständigen Bearbeiten und Korrigieren des eigenen Texts ermöglicht.
Der Vorteil gegenüber klassischen Diktaten liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem individuellen Tempo arbeiten können. Die Lehrkraft kann außerdem qualitativ und quantitativ differenzierte Texte anbieten, wodurch alle Schüler gemeinsam und entsprechend ihrer Fähigkeiten am Klassenwortschatz arbeiten können. Nicht nur für deutschlernende Kinder bieten die offeneren Diktatformen ein großes Potenzial in Bezug auf die Entwicklung von Schrift und Rechtschreibsicherheit.
siehe auch
Das Schleichdiktat
Bei dieser Diktatform gehen die Kinder leise zu einem im Raum platzierten Text und lesen ihn zunächst vollständig (allein oder in Gruppen). Sie merken sich die Überschrift und schreiben sie an ihrem Platz auf. Sie schleichen nun zum Text zurück und merken sich die nächsten Wörter. Dabei geht es nicht darum, schnellstmöglich fertig zu sein, sondern sich die Wörter genau einzuprägen und richtig aufzuschreiben. Nachdem der ganze Text ins Heft übertragen wurde, überprüfen die Kinder gezielt einzelne Wörter oder Passagen mit dem Originaltext.
„Du schleichst leise zu einem aushängenden Text. Lies den Text zuerst vollständig. Merke dir die Überschrift und schreibe sie an deinem Platz auf. Merke dir nun die richtige Schreibung der nächsten Wörter. Schleiche zurück zu deinem Platz und notiere sie. Wiederhole das so oft, bis der Text vollständig in deinem Heft steht. Lies den fertigen Text und kontrolliere genau.“
Das Überprüfen und Korrigieren schafft ein Bewusstsein für die eigene Schreibfähigkeit und trägt somit zur Entwicklung von Rechtschreibsicherheit bei. Nicht zuletzt können wir bei dieser Diktatform dem kindlichen Bewegungsbedürfnis entgegenkommen. Die Lehrkraft sollte dabei vor allem auf einen ruhigen konzentrierten Ablauf („Wir schleichen“) und Rücksichtnahme („Arbeite so, dass du die anderen nicht störst“) achten. Sobald der Klasse dieses Übungsformat bekannt ist, kann es schnell zu einem festen und liebgewonnenen Ritual werden.
Differenzierungsmöglichkeiten beim Schleichdiktat
- Entfernung zum Text
- qualitativ und quantitativ differenzierte Texte
- Abschreibtext statt Schleichdiktat
- Bearbeitung weiterführender Aufgaben zum Text, z.B. Unterstreiche alle Substantive
- Schriftarten: Grundschrift, Druckschrift, Schreibschrift
Vom Abschreiben zum Aufschreiben
Das Abschreiben von einer Vorlage hilft den Kindern, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, konzentriert zu arbeiten und normgerechte Schreibungen zu sichern.
Ein Merkmal des Schleichdiktats ist es, dass die Lernenden einen Weg zurücklegen, auf dem sie sich das zuvor gelesene Wort einprägen. Somit unterscheidet sich das Schleichdiktat in einem wesentlichen Punkt von einem Abschreibtext, bei dem Wörter Buchstabe für Buchstabe übertragen werden.
Beim Aufschreiben hingegen setzen die Lernenden ihre erworbenen Schreibfähigkeiten gezielt ein.
Das Schleichdiktat bildet die Fähigkeit zum Lesen und Wiedergeben zusammenhängender Sinnabschnitte aus und kombiniert außerdem Techniken des Abschreibens und des Aufschreibens.
Kontrollieren und Korrigieren
Beim Kontrollieren der eigenen Arbeit entwickeln die Kinder ein Gespür für die Bedeutung des normgerechten Schreibens. Dabei lernen sie, ihre eigene Arbeit sorgfältig zu überprüfen, sich ihre Stärken bewusst zu machen, Fehler zu finden und zu korrigieren. Dies kann in der Beschäftigung mit der Textvorlage, unter Nutzung des Wörterbuchs oder im Austausch mit Kindern oder der Lehrkraft realisiert werden. Das Überprüfen eigener Schreibprodukte soll als grundlegende Haltung immer unmittelbar mit dem Prozess des Schreibens verbunden sein, um nachhaltig zu wirken. Der routinierte Einsatz von Arbeitstechniken trägt dabei zu Effizienz und Selbständigkeit bei der Verantwortungsübernahme im eigenen Lernprozess bei.
Möglichkeiten zum Kontrollieren und Korrigieren können sein:
- Markieren von Wörtern, deren Rechtschreibung als sicher eingeschätzt wird
- Markieren von Wörtern, deren Rechtschreibung als unsicher eingeschätzt wird
- Kontrolle durch Schleichen zum Text
- Kontrolle mit der Vorlage am Platz
- Kontrolle mit dem Wörterbuch
- Partnerkontrolle / Rechtschreibgespräch
Integrativer Deutschunterricht: Verbindung von Lernbereichen
Sprache untersuchen
An die Durchführung eines Schleichdiktats können verschiedene Übungen aus dem Bereich „Sprache untersuchen“ anknüpfen, z.B.
- Unterstreiche alle Substantive blau, Verben rot und Adjektive grün.
- Schreibe alle Substantive in Einzahl und Mehrzahl auf.
- Finde verwandte Wörter zu den Substantiven. Schreibe Sätze mit diesen Wörtern.
- Finde zusammengesetzte Substantive. Schreibe sie in Silben in dein Heft.
- Wähle ein Verb aus. Schreibe die Grundform und die Personalformen in dein Heft.
- Schreibe die ersten drei Sätze in der Vergangenheitsform auf.
Für sich und andere Schreiben
Passend zum Thema des Schleichdiktats können weiterführende Aufgaben aus dem Bereich „Für sich und andere Schreiben“ erfolgen, z.B.
- „Wie hast du das erste Adventswochenende verbracht?“,
- „Hast du auch schon einmal verschlafen?“,
- „Welche Berufswünsche hast du? Schreibe dazu.“.
Schleichdiktate sind eine wirksame Methode, um Kindern Arbeitstechniken des Abschreibens, Aufschreibens und Kontrollierens in Verbindung mit dem Lesen zu vermitteln. Sie bieten eine von der Lehrkraft bewusst strukturierte Lernumgebung, welche einen integrativen Deutschunterricht fokussiert. Durch den regelmäßigen Einsatz von Schleichdiktaten schulen die Kinder grundlegende Arbeitstechniken, entwickeln ihr Sprachbewusstsein und gelangen zu Rechtschreibsicherheit. Schleichdiktate lassen sich bereits im Anfangsunterricht der Klasse 1 einführen und bis in Klassenstufe 4 nutzen.
siehe auch
Beispiele für Schleichdiktate
Im neuen Jahr
Am 31. Dezember haben wir Silvester gefeiert und das neue Jahr begrüßt. Für viele Kinder ist es ein besonderer Abend, weil sie bis spät in die Nacht wach bleiben dürfen. Abends werden lustige Spiele gespielt und es wird getanzt. Um Mitternacht gibt es überall buntes Feuerwerk am Himmel. Alle wünschen sich dann ein gesundes neues Jahr.
Im Winter
Der Winter ist die kälteste Jahreszeit. Er beginnt im Dezember und dauert bis März. Manche Menschen mögen den Winter nicht, weil es kalt ist und abends zeitig dunkel wird. Viele Kinder warten schon lange auf den Schnee. Sie freuen sich aufs Rodeln, Skifahren und auf eine lustige Schneeballschlacht.
Übrigens: Schleichdiktate eignen sich auch für das fachübergreifende Arbeiten und eine sprachsensible Wortschatzarbeit in weiteren Fächern → vgl. Zahlenrätsel.
Judith Köhler & Andreas Grajek
Letzte Aktualisierung: 29. September 2023