Vom Kartoffelanbau zur Biofolie
Wenn ihr ein typisch deutsches Essen nennen sollt, so ist bestimmt die Kartoffel in irgendeiner Form dabei. Dabei wird die leckere Knolle noch gar nicht so lange hier in Deutschland angebaut. Sie stammt ursprünglich aus den Anden in Süd-Amerika, wo sie von den dortigen alten Hochkulturen genutzt wurde. Diese kannten dabei nicht nur eine, sondern mehrere tausend Sorten – gelbe, rote und lila Sorten, kleine und große, runde und längliche. Erst im 16. Jahrhundert kam sie schließlich mit den Entdeckern des neuen Kontinents auch nach Europa. Dort aß man sie nicht, sondern fand sie vorerst nur schön – und baute sie in Gärten als Zierpflanze an. Erst im 18. Jahrhundert breitete sich auch das Wissen in Europa aus, dass die Knolle auch essbar, gesund und nahrhaft ist.
Projekt von Dr. Thea Lautenschläger und Andreas Grajek: ein ganzheitliches Herangehen an eine Wertstoffkette aus nachwachsenden Rohstoffen. Langzeitprojekt für die Klassenstufe 3 und 4 und eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
Biologin Dr. Thea Lautenschläger, die das Projekt praktisch und wissenschaftlich begleitete, über die Bedeutung des Lernens von Grundschülerinnen und Grundschülern in einem naturwissenschaftlichen Projekt:
Wie kommt es, dass Du als promovierte Biologin mit Kindern im Kindergarten und in der Grundschule arbeitest?
Unsere Kinder sind die Wissenschaftler und Träger unserer Gesellschaft von morgen. Ihre Fragen öffnen die Augen für Details, die Erwachsene oft übersehen oder Dinge, die sie als selbstverständlich hinnehmen.
Wie gelingt es, wissenschaftlichen Anspruch auf die Verständnisebene der Schülerinnen und Schüler zu transferieren?
Wache Beobachtung, genaues Dokumentieren und das Folgern von Schlüssen lassen sich an einfachen Vorgängen in der Natur trainieren. Stück für Stück kann dabei die Ebene des wissenschaftlichen Denkens erhöht werden. An erster Stelle ist es jedoch wichtig, Begeisterung zu wecken – erst durch SEHEN wird das BEGREIFEN möglich.
Welche Möglichkeiten bieten sich bei der Arbeit am „Kartoffelprojekt“?
Die Kartoffel begleitet die Europäer bereits seit 500 Jahren. Sie ist schon fast ein Kulturgut, um das sich viele Geschichten ranken. Ihre Vielfältigkeit in Form und Farben sowie die zahlreichen Nutzungen als Püree, Chips oder gar Bio-Folie machen sie zu einem geeigneten Objekt für eine ganzheitliche Betrachtung einer Nutzpflanze.
Was kannst Du als Mitarbeiterin einer naturwissenschaftlichen Fakultät an der Universität den Kindern anderes als der Klassenlehrer vermitteln?
Ein Blick auf die vermeintlich alltäglichen Dinge wie Nahrungsmittel kann auch für Forscher interessant sein. Scheinbar Selbstverständliches, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann plötzlich neue Aspekte zutage befördern. Neue „Entdeckungen“ werden nur durch Hinterfragen des Bekannten möglich.
Thea Lautenschläger im Netz:
→ Professur für Biologie der TU Dresden
→ Forschungsnetzwerk
Vorüberlegungen: Auswahl der Kartoffelsorten für Langzeitbeobachtung, Anbau, Verkostung und Stärkegewinnung
Projektbeginn Mai, Klasse 3: Einpflanzen der Kartoffeln
Juni, Klasse 3: Besuch am Beet
September, Klasse 4: Ernte
Oktober – November, Klasse 4: Herstellen von Biofolie aus Kartoffelstärke
Projekt-Abschluss November bis Januar, Klasse 4: Verpackungen mit Stärkefolie aus eigener Herstellung und Kompostierung
Diskussion über Bioplastik
Der Nutzen von Bioplastik wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Im Bereich des biobasierten Plastiks argumentieren Befürworter häufig mit der Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen und der verbesserten CO2-Bilanz im Vergleich zu herkömmlichem Plastik aus Erdöl. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Konkurrenz mit dem Nahrungsmittelanbau stehen kann.
Um neue landwirtschaftliche Fläche zu erschließen, werden in einigen Fällen naturnähere Lebensräume zerstört. Zudem handelt es sich bei den entstandenen Feldern häufig um großflächige Monokulturen, die einen erhöhten Pestizid- und Herbizideinsatz erfordern. Als Reaktion darauf werden auf diesen intensiv genutzten Flächen häufiger gentechnisch veränderte Sorten angebaut.
Soweit es im Rahmen des Grundschulunterrichts möglich ist, sollte diese kontroverse Diskussion nicht ausgelassen werden. Denn die Schülerinnen und Schüler kommen damit von selbst auf die entscheidende Lösung für das Problem: den Verbrauch an Plastik insgesamt zu verringern. Hier können sich die Lernenden auf eine gemeinsame Suche nach Alternativen für den Party-Plastikteller und Einweg-Plastikflaschen oder den Plastik-Einkaufsbeutel begeben.
Bioplastik – Vor- und Nachteile
Herkömmliches Plastik (erdölbasiert, nicht abbaubar) | Biobasiertes Plastik (Beispiel: Polyethylen aus Rohrzucker) | Biologisch abbaubares Plastik (Beispiel Stärkefolie) | |
Vorteile | preisgünstig langlebig viele Plastikarten lassen sich recyceln | Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen verbesserte CO2-Bilanz je nach Plastikart ist Recycling möglich | weniger Umweltverschmutzung über Kompostierung zurück in den Stoffkreislauf |
Nachteile | basiert auf fossilen Rohstoffen, die irgendwann aufgebraucht sein werden Umweltverschmutzung Recycling ist oft nicht wirtschaftlich, sodass ein großer Teil verbrannt oder auf Deponien gelagert wird | Anbau der Pflanzen erfordert Fläche – dafür fällt Anbaufläche für Nahrungspflanzen weg oder naturnähere Lebensräume werden zerstört Anbau in großflächigen Monokulturen mit erhöhtem Pestizid- und Herbizideinsatz | teilweise geringere Haltbarkeit häufig nur industriell kompostierbar (da teilweise hohe Temperaturen erforderlich) oft teurer als herkömmliches Plastik |
Eindrücke von den Arbeitsergebnissen der Kinder im Forscherheft:
Anne Göhre hat zum Thema „Plastik aus Pflanzen – Lösung des Müllproblems?“ ein Projekt für Kinder in einem botanischen Garten entwickelt.
Das Projekt „Pflanzen aus Plastik – Lösung unseres Müllproblems?“ wurde im Rahmen der Fortbildungsreihe „Biodiversitätsbildung als Querschnittsthema von Biologie, Politik und Ethik“ für den Botanischen Garten der TU Dresden entwickelt. Es thematisiert die Herstellung von Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen und hinterfragt die Eignung dieser Technologie für eine nachhaltige Entwicklung. Dabei werden verschiedene Dimensionen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) einbezogen.
Download: Plastik aus Pflanzen – Lösung des Müllproblems?
Plastik-aus-PflanzenLiteratur
Eine ausführliche Aufbereitung des Kartoffel-Projekts inkl. eines Forscherhefts lässt sich in der Fachzeitschrift „Grundschule Sachunterricht“ des Friedrich Verlags Nr. 87 2020 (Thema: Lebensmittel) unter dem Titel Biofolie aus eigenen Kartoffeln nachlesen. Das Autorenteam besteht aus Dr. Thea Lautenschläger, Anne Göhre und Andreas Grajek.
Im Beitrag „Autsch!“ Die Brennnessel – eine unterschätzte Nutzpflanze (Praxis Grundschule, Ausgabe 03 2022, Westermann, Thema: BNE – Ökologische und ökonomische Aspekte) rückt das Autorenteam Thea Lautenschläger und Andreas Grajek eine der wohl wichtigsten und vielseitigsten Nutzpflanzen, die in unseren Breiten wächst, in den Fokus. Neben botanischen Exkursen wird dabei Kulinarisches mit Gärtnerischem und Naturschutzfachlichem verbunden. Diese spannende Komplexität kann dazu beitragen, die Brennnessel mit anderen Augen zu sehen. Die einzelnen Module eignen sich zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
Der Beitrag „Ein grüner Daumen für den Schulgarten. Die Bedeutung des Schulgartens für Bildung und Nachhaltigkeit“ von Judith Köhler, Thea Lautenschläger und Andreas Grajek erschien im Grundschulmagazin Nr. 6 2022 (Heftthema: Nachhaltigkeit) des Friedrich Verlags. Neben Argumenten für das Anlegen eines Schulgartens im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) fokussiert der Artikel Gelingensbedingungen, die den Schulgarten zu einem anregenden und ergiebigen Lernort machen, an dem sich u.a. auch Themen wie Partizipation, Demokratieerziehung und kollegiale Teamentwicklung durch Mitbestimmung und Mitgestaltungsmöglichkeiten realisieren lassen. Am Beispiel des Projekts „Veränderungen im Kompost“ zeigt das Autorenteam auf, wie ein Unterrichtsprojekt rund um den Kompost in allen Jahrgangsstufen der Grundschule umgesetzt werden kann. Hintergrundinformationen und didaktische Hinweise für Lehrkräfte zur Kompostierung sowie eine Aufgaben- und Forscherkartei für Schülerinnen und Schüler komplettieren das Schulgarten-Projekt. Weitere Projektideen für den fachübergreifenden und fächerverbindenden Unterricht rund um den Schulgarten schließen den Beitrag ab. Siehe auch: Geschichte des Schulgartens und Schulgarten heute:_BNE.
Fachübergreifendes Lernen auf Schulimpulse
Letzte Aktualisierung: 30. April 2023